Projektleiter brauchen mehr als fachliches Know-how. Die Aufgaben des Projektleiters lassen sich in acht Rollen einteilen.
Natürlich ist es nicht falsch, Projektleiter aufgrund ihrer methodischen Kenntnisse im Projektmanagement auszuwählen. Sie brauchen dieses Wissen, um Aufträge zu klären, Pläne zu entwickeln und das Projekt entlang dieser Pläne zu steuern. In komplexen Projekten reicht das aber nicht. Projektleiter müssen zum Beispiel auch Führung übernehmen, Konfliktstärke beweisen und die Zusammenarbeit im Team gestalten. Ein Projektleiter sollte idealerweise in der Lage sein, die folgenden acht Rollen zu meistern.
1. Rolle:Führungskraft
Vielen Projektleitern, so lässt sich beobachten, fehlt es an Führungskompetenz. Dieser Aspekt des Projektmanagements wird in seiner Bedeutung weit unterschätzt. Nur wenige Unternehmen machen sich offenbar klar, dass drei Viertel des Projekterfolgs von der Führungskompetenz des Projektleiters abhängen und nur ein Viertel von seiner Methodenkompetenz. Wie sonst lässt sich erklären, dass bei der Weiterentwicklung der Projektleiter meist nur Methoden gelehrt werden und das Thema Führung kaum stattfindet?
Sobald ein Projekt über Abteilungsgrenzen hinausgreift, stellt es die Führungskompetenz des Projektleiters auf die Probe. Anders als der Linienmanager führt er kein eingespieltes Team, sondern hat es mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe zu tun, deren Mitglieder sich gerade erst kennenlernen, aus verschiedenen Fachbereichen kommen und zudem auch noch hierarchisch ganz unterschiedlich angebunden sein können. Mehr noch: Der Projektleiter muss mit seinen Leuten Neuland betreten und deshalb mit unerwarteten Situationen rechnen, während der Linienmanager sich auf eingespielte Prozesse und Abläufe verlassen kann.
Hinzu kommt zu all dem: Ein Projektleiter verfügt im Unterschied zum Linienmanager über keine disziplinarischen Befugnisse. Viele Projektleiter fühlen sich deshalb wie ein zahnloser Tiger – und entsprechend halbherzig mutet ihr Handeln häufig an. Und es stimmt ja auch: Eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit ohne Weisungsbefugnis zu organisieren ist erheblich anspruchsvoller, als Aufgaben einfach zuweisen und Entscheidungen per Anweisung durchsetzen zu können.
2. Rolle: Teammanager
Viele Projekte beschränken sich heutzutage nicht auf eine einzelne Abteilung, sondern umfassen ein Netz aus Mitarbeitern der unterschiedlichsten Ressorts. Darüber hinaus werden oft auch Mitarbeiter einbezogen, die von außen kommen. Partner, externe Dienstleister oder Kunden werden gebeten, in unterschiedlichen Phasen eines Projektes mitzuwirken.
Die Folge: Es kommt zu bunt zusammengewürfelten Projektteams. Die Mitglieder verfügen über ganz unterschiedliche Qualifikationen, kennen sich oft noch nicht – und stehen sogleich unter hohem Zeitdruck, da das Projekt zu einem bestimmten Termin abgeschlossen sein muss. Von ihnen wird erwartet, quasi aus dem Stand produktiv zusammenzuarbeiten. Für den Projektleiter bedeutet das, in kurzer Zeit aus einer Reihe von Einzelkämpfern ein Team zu formen, das gut und reibungslos zusammenarbeitet.
Die Entstehung einer schlagkräftigen Truppe ist kein Selbstläufer. Als Projektleiter sollten Sie diesen Prozess nicht dem Zufall überlassen. Dann jedoch stellen sich wichtige Fragen: Wie funktioniert ein Team wirklich? Was braucht es, damit ein Team erfolgreich sein kann? Wie ist ein gut funktionierendes Team zusammengesetzt? Was ist zu tun, damit sich jedes Mitglied in die Gruppe einbringt?
Das große Potenzial im Teamwork liegt vor allem darin begründet, dass jedes Teammitglied in der Gemeinschaft über sich hinauswachsen kann. Die Zusammenarbeit im Team wird damit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für das Gelingen eines Projekts. In der Theorie klingt das nachvollziehbar, doch viele Projektleiter unterschätzen die komplexen gruppendynamischen Prozesse, die damit verbunden sind. Oft versäumen sie es deshalb, in entscheidenden Situationen die Weichen richtig zu stellen. Es lohnt sich daher, diese Dynamiken und damit das Geschehen im Team zu verstehen und beeinflussen zu können.
3. Rolle: Kommunikator
Neulinge im Projektmanagement merken es schnell: Plötzlich müssen sie in alle Himmelsrichtungen kommunizieren. Small-Talk in der Kaffee-Ecke, Diskussionen im Statusmeeting, Präsentationen vor Entscheidern. In Projekten sind es letztlich die Projektleiter, die den Ton angeben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb ist es elementar, als Projektleiter in der Kommunikation nicht zu versagen. Wer meint, sein Projekt per E-Mail vom Bürotisch aus steuern zu können, dürfte schnell sein blaues Wunder erleben.
Die Kommunikation im Projekt wird häufig unterschätzt, doch sie ist die wohl entscheidende Schlüsselfunktion in der Projektarbeit. Nur wenn der Projektleiter in der Lage ist, effektiv und zielorientiert zu kommunizieren, hat er die Chance, sein Projekt zum Erfolg zu führen.
Einem Projektleiter fehlt in der Regel die Befugnis, die Dinge per Anweisung vorantreiben zu können. Damit wird die Kunst, Gespräche professionell zu führen, zu seinem wichtigsten Instrument. Seine Art der Gesprächsführung entscheidet darüber, ob sich zwischen ihm und den Mitarbeitern eine gute Arbeitsbeziehung entwickelt oder nicht. Und von seinem kommunikativen Geschick hängt es ab, ob er die Interessen des Projekts gegenüber allen Beteiligten durchsetzen kann. Oft liegt es an Kleinigkeiten, wenn ein wichtiges Gespräch scheitert oder für beide Seiten zufriedenstellend verläuft. Dabei zeigt sich: Ein Projektleiter kann auch schwierige Gesprächssituationen so steuern, dass er am Ende das gewünschte Ergebnis erzielt.
4. Rolle: Konfliktlöser
Lautstarke Diskussionen, zynische Bemerkungen oder eisiges Schweigen: Konflikte werden auf unterschiedliche Weise ausgetragen. Sie können vielfältige Ursachen haben, und es gibt sie überall. Wo Menschen zusammen leben oder arbeiten, gibt es immer auch gegensätzliche Vorstellungen, aus denen sich oft Konflikte entwickeln.
In besonderem Maße gilt das für Projekte, denn hier liegt der Konflikt quasi in der Natur der Sache. Die Beteiligten verfolgen unterschiedliche Ziele, lernen sich oft erst im Kick-off-Meeting kennen – und sollen trotzdem möglichst sofort von Null auf Hundert zusammenarbeiten. Projekte stehen zudem unter Zeitdruck, was sie für Konflikte anfällig macht. Auch unklare Rollen, Funktionen und Kompetenzen lösen Konflikte aus, ebenso wie missverstandene Projektziele. Und so wird gerade auch in Projekten gestritten, sei es über Sachfragen oder weil zwei Kollegen auf Kriegsfuß miteinander stehen.
Konflikte zählen zum Alltag in Projekten. Doch wenn sie eskalieren, können sie sehr teuer sein. Sie kosten Kraft, Zeit und Geld – und führen im Extremfall zum Projektabbruch. Für den Projekterfolg kann es entscheidend sein, Konflikte durch klare Ansagen und vorausschauendes Handeln zu vermeiden oder, wenn sie doch entstanden sind, zu managen und zu lösen. Oberstes Ziel sollte es sein, einen Konflikt nicht so weit eskalieren zu lassen, bis aus ihm eine Krise wird, die das Projektziel gefährdet oder im schlimmsten Fall den Projektabbruch herbeiführt.
5. Rolle: Stratege
Wenn Entscheidungen verzögert, Informationsflüsse unterbrochen oder andere taktische Manöver den Projektalltag stören, fällt häufig der Begriff „Politik“. In solchen Situationen gilt es, die Situation mit Gespür und Geschick wieder ins Lot zu bringen.
Nahezu jedes größere Projekt gerät irgendwann in schweres Fahrwasser. Gefährlich wird es für den Projektleiter, wenn das Management unrealistische Anforderungen stellt, wenn Projektgegner den Fortgang sabotieren, wenn divergierende Interessen die Arbeit lahmlegen, wenn eine Abteilung, die ein wichtiges Teilergebnis verantwortet, plötzlich ihre Prioritäten ändert, wenn … Die Aufzählung ließe sich ohne Mühe fortsetzen.
Solche Situationen erfordern gute Führung und strategisches Geschick. Als Projektleiter sollte man die Gefahren frühzeitig erkennen und rechtzeitig gegensteuern. Nun sind Projektleiter als Strategen gefragt. Konkret heißt das zum Beispiel: Ziehen Sie Ihren Kopf aus der Schlinge, wenn der Auftraggeber Anforderungen stellt, die Sie niemals einlösen können. Organisieren Sie sich in ausreichendem Maße Macht und Einfluss, um in kritischen Situationen auch ohne Weisungsbefugnis handlungsfähig zu sein. Sichern Sie sich die Rückendeckung aus der Linie, um die Interessen des Projekts gegenüber den Linienvorgesetzten durchzusetzen. Das zeugt von strategischem Handlungsgeschick!
6. Rolle: Change-Manager
Der digitale Wandel erzeugt derzeit unzählige Projekte, die sich direkt auf die Arbeitsweise und Organisation von Unternehmen auswirken. Beim Management dieser Projekte geht es daher nicht nur um die technische Umsetzung, sondern auch um das Durchsetzen der dafür nötigen organisatorischen Änderungen. Viele Projekte greifen tief in bestehende Strukturen ein und berühren große Teile der Belegschaft, die bislang kaum mit Projekten zu tun hatten.
Es liegt auf der Hand: Derartige Veränderungsprojekte lassen sich allein mit einer guten Planung nicht in den Griff bekommen. Mit guter Planung lässt sich zwar verhindern, dass ein Projekt aus organisatorischen Gründen in Schwierigkeiten gerät, doch die mit der Veränderung angestoßenen sozialen Prozesse bleiben unberücksichtigt. Im Vorfeld eines größeren Projekts empfiehlt es sich deshalb, beide Aspekte zu prüfen: Liegt die zentrale Herausforderung vor allem in der planerischen und organisatorischen Komplexität des Projekts? Oder mehr in möglichen Unsicherheiten, Ängsten, Zukunftssorgen und Widerständen der betroffenen Personen? Oder sind beide Aspekte gleichermaßen wichtig?
Wenn es primär um die Bewältigung einer organisatorischen Komplexität geht, können Sie als Projektleiter Ihre Fähigkeiten im klassischen Projektmanagement ausspielen und sich voll und ganz auf die inhaltlichen Probleme konzentrieren. Geht es dagegen vor allem um die Bewältigung struktureller und kultureller Veränderungen, wird die Gestaltung der Veränderung zur zentralen Herausforderung. In diesem Fall kommt Ihnen zusätzlich die Rolle des Change-Managers zu: Es ist Ihre Aufgabe, die Menschen auf die Projektreise mitzunehmen. Dazu gehört es, Ängste ernst zu nehmen, Widerstände rechtzeitig auszuräumen, die Projektziele überzeugend zu vermitteln und die Betroffenen in die Umsetzungsschritte einzubeziehen.
7. Rolle: Verhandlungsführer
Verhandlungen? Auf den ersten Blick scheint das Thema wenig mit Projektmanagement zu tun zu haben. Im Verlaufe eines Projekts gibt es jedoch zahlreiche Situationen, in denen Verhandlungen stattfinden. Mit einem Linienverantwortlichen wird über den Einsatz eines wichtigen Mitarbeiters gesprochen. Ein Mitarbeiter möchte früh Feierabend machen, wird aber dringend noch gebraucht. Ein Lieferant möchte bessere Konditionen herausschlagen. Der Auftraggeber hat zusätzliche Anforderungen an das Projekt. Ein Kunde soll – trotz Mängel – die Abnahme erteilen. Verhandlungen sind Alltag im Leben eines Projektleiters!
Als Projektleiter stehen Sie ständig vor der Aufgabe, innerhalb einer komplexen Organisation die Ziele und Interessen des Projekts gegenüber Auftraggebern, Linienverantwortlichen, Lieferanten und Mitarbeitern vertreten und durchsetzen zu müssen. Fast jedes Gespräch wird so zu einer Verhandlung, in der eine tragfähige Einigung gefunden werden muss. Besonders herausfordernd können Sitzungen des Lenkungsausschusses oder Jour-fixe-Termine sein: Hier gilt es mitunter, harte Debatten mit erfahrenen Managern zu führen, die ihrerseits über ausgezeichnete rhetorische und kommunikative Fähigkeiten verfügen.
8. Rolle: Krisenmanager
Jeder Projektleiter möchte sie vermeiden, doch oft genug kommt sie dann doch: die Projektkrise. Zwar rutscht ein Projekt in der Regel nicht von heute auf morgen in eine Schieflage. Meistens jedoch werden die Warnsignale übersehen – und die Katastrophe trifft das Projektteam völlig unvorbereitet.
Auch minutiös geplante Projekte können völlig unerwartet in eine Krise geraten, bei der selbst erfahrene Projektleiter ins Schleudern kommen. Im Grunde liegt das in der Natur der Sache. Projekte sind per Definition Vorstöße ins Neuland. Man sucht nach Lösungen, die es so im Unternehmen noch nicht gibt. Das Projektteam betritt unbekanntes Terrain – und natürlich passieren auf dem Weg zum Ziel Fehler oder es tauchen Schwierigkeiten auf, mit denen man nicht rechnen konnte.
Die meisten dieser Schwierigkeiten meistert das Projektteam – mal auf Anhieb, mal nach einigen Anläufen. Manchmal jedoch wächst den Mitarbeitern eine Situation über den Kopf und sie fangen an, den Mut zu verlieren. Ein Projektleiter, der auf eine solche Entwicklung nicht reagiert, gefährdet den Projekterfolg.
Doch was tun? Zunächst gilt es, die Rolle des Krisenmanagers einzunehmen und für alle Mitarbeiter spürbar die Verantwortung zu übernehmen. Zu Beginn der Krise ist es meistens noch unklar, welche Maßnahmen geeignet sind, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. „Verantwortung übernehmen“ bedeutet deshalb zunächst, einen konstruktiven Prozess zur Krisenbewältigung in Gang zu bringen. Gemeint ist damit zweierlei: Es gilt, die Lage nüchtern zu analysieren und einen Lösungsweg zu organisieren. Gleichzeitig kommt es darauf an, das angeschlagene Team zu motivieren, den Blick gemeinsam nach vorne zu richten – und dafür zu sorgen, dass alle beherzt mit anpacken und den Karren aus dem Dreck ziehen